Jede*r kennt sie, doch nur wenige bekommen sie zu sehen, denn sie sind nachtaktiv, von winzig kleiner Größe und fliegen für den Menschen unhörbar: Fledermäuse. In Deutschland gibt es aktuell 25 Arten, die alle unter strengem Naturschutz stehen bzw. sogar europaweit geschützt sind. Häufig können Naturinteressierte an August-Wochenenden die kleinen Fledertiere entdecken und vor allem negative Vorurteile und Ängste abbauen. Auch in den deutschen Gebieten des Weltnaturerbes Buchenwälder finden im August spezielle Veranstaltungen statt, um zu zeigen, wie wertvoll ihr Dasein ist.
Beste Lebensbedingungen in alten Buchenwäldern
Denn besonders hier, in alten Buchenwäldern wie die Welterbe-Teilgebiete, herrschen optimale Bedingungen für das Leben von Fledermäusen bietet. Denn die Nachtgeister fühlen sich neben Auenwäldern und Eichenmischwäldern vor allem in Buchenwäldern wohl, die reich an Altbäumen und Totholz sind. Viel Wasser in der Nähe – wie der Herthasee im Jasmund, der Edersee im Kellerwald, die Müritz mit ihren Seen oder die Standgewässer im Grumsin – machen ein Waldgebiet noch begehrter für Fledermäuse.
Was die Welterbegebiete interessant macht, ist besonders das Alter des Waldes und seine natürliche Entwicklung. Denn erst wenn die Buchen zwischen 80 und 100 Jahren alt werden, erreichen sie die so genannte Höhlenreife: Durch Bautätigkeit der zahlreichen Spechtarten oder Störungen wie Stammverletzungen, Faulstellen, Astabbrüche, sich lösende Rinde oder Mulmhöhlen entstehen wichtige Höhlen und Spalten, die als Sommer- und Winterquartiere dienen. Je älter und höhlenreicher ein Waldbestand ist, desto vielfältiger entwickelt sich Tier- und Pflanzenwelt in ihm.
Aber auch die Art der Schutzzone wirkt sich positiv auf den Lebensraum aus: In den Kernzonen der Welterbeflächen dürfen keine Pestizide oder Düngemitteln eingesetzt werden, die den Fledermäusen oder ihrer Nahrung schaden. Durch die absolute Stilllegung gibt es keinen Verkehr, keine Windräder und nicht einmal Menschen, die die Ruhe stören können.
75% der heimischen Fledermausarten im Weltnaturerbe zu Hause
Es ist daher nicht überraschend, dass sich in den fünf deutschen Teilgebieten viele, nämlich insgesamt 19 der 25 in Deutschland lebenden Fledermausarten finden. Während es im Nationalpark Jasmund zehn Arten gibt, wurden im Grumsin des Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin zwölf nachgewiesen, im Serrahn des Müritz-Nationalparks und Nationalpark Hainich jeweils 15 Arten und im Nationalpark Kellerwald-Edersee konnte man sogar 19 Arten finden1.
Neben den häufigen Arten Mücken-, Zwerg-, Wasser-, Fransen-, Rauhhaut- und Breitflügelfledermaus sowie der Kleine und der Große Abendsegler und das Braune Langohr in allen Teilgebieten, kommen einige Nachtgeister nur vereinzelt vor. Die Zweifarbfledermaus findet man beispielsweise im Serrahn, im Kellerwald und im Hainich.
Im Grumsin, Kellerwald und Hainich kann man beispielsweise die größte europäische Fledermaus, das Große Mausohr antreffen. Da sie sich überwiegend von flugun¬fähigen Laufkäfern ernährt, sind die hallenartigen, unterwuchsarmen Buchenwaldbereiche optimal für die Nahrungssuche.
Das Große Mausohr gehört zu den in Europa besonders geschützten Arten2 ebenso wie die Mopsfledermaus, die im Hainich, Serrahn, Grumsin und Kellerwald nachgewiesen wurde. Diese Art, bei der der Name mit gedrungener Schnauze und großen Ohren wirklich Programm ist, lebt vorrangig in Wäldern oder waldnahen Gebiet, ist jedoch mittlerweile stark bedroht. Als Sommerquartier und damit Wochenstube (dort, wo die Fledermausjungen aufgezogen werden) benötigt sie enge Spalten an Bäumen.
Ähnliche Ansprüche hat auch die Große Bartfledermaus oder auch Brandtfledermaus, die im Kellerwald, Hainich, Grumsin und Jasmund und damit teilweise die einzig in der jeweiligen Region vorkommen. Sie hat ein vergleichsweise langes Fell und vor allem auch langes Leben: In Sibirien wurde ein Individuum mit 38 Jahren gefunden. In unseren Breiten werden sie nur runde 20 Jahre alt. Die Große Bartfledermaus hat noch eine Schwester: Die Kleine Bartfledermaus. Gemeinsam teilen sie sich – in den alten Buchenwäldern Kellerwald und Hainich – die Quartiere.
Auch ausschließlich im Kellerwald und Hainich kommt die Bechsteinfledermaus, die als besonderer Urwaldzeiger gilt, vor. Sie benötigen einen reich strukturierten, naturnahen Laubmischwald, wie sie ihn in den alten Buchenwäldern mit seinen verschiedensten Entwicklungsphasen ideal vorfinden. Dieser Reichtum an Mikrohabitaten
bieten viele Verstecke. Auch der Insektenreichtum sorgt für ein optimales Nahrungsangebot. Wo die Bechsteinfledermaus vorkommt, finden sich Bäume in besonders hohem Alter, wie sie zum Teil nur in den Welterbegebieten, den so genannten Urwäldern von Morgen zu finden sind.
Während im Kellerwald – ein wirklicher Hotspot für Fledermäuse, wie man bei der Erlebnisnacht erfahren kann – auch noch das Graue Langohr, die Teichfledermaus, die Nordfledermaus und die Nymphenfledermaus bereits nachgewiesen wurden, ist auch in den anderen Gebieten in den kommenden Jahren mit weiteren Vorkommen zu rechnen, da sie entweder früher einmal dort waren oder bereits an den Rändern entdeckt wurden. Mehr über die Jäger der Nacht kann man im Müritz-Nationalpark auch bei der Familienführung erfahren.
1 Bisher nicht in den Welterbe-Teilgebieten nachgewiesen wurden: Alpenfledermaus, Langflügelfledermaus (eigentlich als ausgestorben), Wimperfledermaus, Weißrandfledermaus, Große und Kleine Hufeisennase.
2 Zu den so genannten Anhang-II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union zählen folgende Fledermausarten: Bechsteinfledermaus, Große Hufeisennase, Großes Mausohr, Kleine Hufeisennase, Mopsfledermaus, Teichfledermaus, Wimperfledermaus.